Offenes Wohnen wird zum „Broken Plan Living“: Der neue Wohntrend

In der Küche, im Wohnzimmer und selbst im Bad fallen immer mehr Wände weg: Offenes Wohnen wird als unkompliziert, luftig und modern bejubelt. Der Trend hält seit Jahren an, doch aus den USA schwappt mit dem „Broken Plan Living“ eine besondere Einschränkung dieses Wohntrends herüber. Das hat auch im neuen Home Office-Modus 2020/21 seine Vorteile.

Auf einen Trend folgt ein Gegentrend. Das war schon immer so; in der Mode, in der Architektur, beim Design. Auf Schlaghosen folgten Röhrenjeans, auf den verschnörkelten Jugendstil die Bauhaus-Architektur, auf geschlossene Wohnräume die Hinwendung zu offenen Grundrissen. Und nun? Experten wollen eine Trendwende ausgemacht haben: Menschen suchen wieder bewusst nach Rückzugsräumen, um ihre Individualität und Privatsphäre darin auszuleben. Offenes Wohnen – bald ein Trend von gestern?

Viele Jahre war offenes Wohnen ein Megatrend

Freiheit und Flexibilität, das klingt seit vielen Jahren nach großzügig geschnittenen Lofts, bei denen Küche und Wohnraum eine lichtdurchflutete Einheit bilden, ebenso wie Bad und Schlafzimmer. Es klingt nach dem Durchbrechen von Mauern, Öffnen von Räumen, organischen Verschmelzen des Interieurs verschiedener Lebensbereiche. Das offene Wohnen ist so sehr zum Megatrend avanciert, dass man hinter vorgehaltener Hand munkelt, dieser Designstil sei längst kein „Trend“ mehr, sondern allzu alltäglich, und es müsse bald wieder damit vorbei sein, weil in Design und Architektur ja immer neue Zeiten anbrächen.

2021: Der gläserne Mensch sucht Rückzugsorte

Tatsächlich könnte es nun, im Laufe von 2021, soweit sein. Architekten und Designer weltweit beschäftigen sich längst mit Gegenentwürfen zum offenen Wohnen. Die Gründe sind vielfältig: In Zeiten der durchstrukturierten Digitalisierung des privaten und öffentlichen Lebens ist der Mensch gläsern geworden; gesellschaftliche Normen verlangen zudem eine immer intensivere soziale Interaktion mit dem Umfeld. Da ist froh, wer nach Hause kommen und die Tür hinter sich zumachen kann – insofern es eben eine gibt.

Hinzu kommt die neue Arbeitsform des Home Offices. Auch, wenn die Vereinbarkeit von Kindern, digitalem Unterricht, Haushalt und eigener Arbeit auf den begrenzten Quadratmetern des Zuhauses unmöglich erscheint, hat 2020/21 gezeigt, dass es geht kann. Gehen muss. Ein sortiertes Zuhause mit Rückzugsorten hilft dabei. Ist die Küche nur halboffen, schützen Wände oder Raumtrenner vor Telefonlärm und Beobachtung – ergo, lässt es sich konzentrierter arbeiten. Dass der Raum dennoch ein Treffpunkt für die ganze Familie ist, bleibt aufgrund des offenen Wohnkonzepts außer Frage.

Last not least: selbst, wer die großzügigen, wandlosen Zuschnitte zuhause schätzt, erlebt, dass das offene Wohnen auch manch unerwünschte Nebeneffekte mit sich bringt. Gerüche und Geräusche lassen sich schwieriger ausblenden, Unordnung sieht man auf den ersten Blick. Das Familienleben ist nicht immer harmonisch und fordert, wenn Kinder heranwachsen, Grenzen und Raumteilungen.

Ausblick 2021 – Kehrtwende für offenes Wohnen: Das „Broken Plan Living“

Die gute Nachricht ist: Die Kehrtwende beim offenen Wohnen bedeutet nicht das Ende des Trends per se. Architekten werden auch weiterhin ein Maximum an Luft und Licht im individuellen Raum kreieren. Eine neue Gegenbewegung aus den USA sorgt aber zumindest für eine Einschränkung der Offenheit: Das sogenannte „Broken Plan Living“ ist dort bereits seit 2015 ein Begriff und gewinnt zunehmend an Popularität.

Gemeint ist das Einteilen eines offenen Wohnraumes in verschiedene Ebenen und Zonen, die inhärent miteinander verbunden sind, aber durch Halbwände, Trennwände, Stufen oder unterschiedliche Bodenbeläge sanft voneinander abgegrenzt werden. So kann beispielsweise der offene Küchen- und Essbereich vom Wohnbereich durch den Einsatz eines herabgezogenen Wandkamins oder eines durchlässigen Bücherregals abgetrennt werden, ohne den Raum zu versperren.

Auch lichtdurchlässige Trennwände aus Plexiglas, schmale Aluminiumstreben oder Holzhalter mit herabhängenden Pflanzenranken bilden natürliche Barrieren im Raum, die dem Raum Struktur geben und Möglichkeiten zum Rückzug bieten. Für offenes Wohnen ist dies der ideale Mix aus Privatsphäre und Gemeinsamkeit – ohne Schloss und Riegel.

Wie kann das „Broken Plan Living“ umgesetzt werden?

Besonders beliebt ist die Umsetzung des „Broken Plan Livings“ über unterschiedliche Bodenplatten in Küche und Wohnbereich. Zum einen kann damit ein harmonischer Kontrast im Design erzielt werden, den beispielsweise die Kombination aus Holz und Estrich oder Beton und warmen Keramikplatten erzeugt. Zum anderen hat das Ganze eine funktionelle Komponente: Wer auf hochwertiges Parkett im Wohnbereich setzt, ist im Küchenbereich gut beraten, ein weniger empfindliches Material – beispielsweise Fliesen – verlegen zu lassen. Von Vorteil ist, dass moderne Küchenfliesen in immer aufwändigerer Optik gestaltet werden und somit auch Holz imitieren können.

Die Trennwand in Form eines Regals bietet beim „Broken Plan Living“ ebenfalls einen multifunktionalen Vorteil. Der Wandtrenner kann sowohl mit Küchenutensilien, als auch Geschirr für den Essbereich oder Büchern für den Wohnbereich bestückt werden. Er ist von beiden Seiten zugänglich und erhöht das Stauraumvolumen für offenes Wohnen.

Wer nicht nur visuelle Raumeinteilungen vornehmen möchte, sondern auch Gerüche und Geräusche unterbinden will, setzt auf eine gläserne Küchenzone: ähnlich eines Gewächshauses wird die Küche mit Streben und Fenstergläsern vom restlichen Raum abgeteilt, bleibt aber optisch integriert. Ebenso empfehlenswert ist die Einteilung von Wohnen und Kochen auf verschiedenen Ebenen innerhalb eines großen Raumes. Wer genug von Kochdunst und Gemeinsamkeit hat, wechselt über Stufen in einen anderen Wohnbereich – und grenzt sich damit ab.

Fazit: Offenes Wohnen wird eingeschränkt – und damit erweitert

Der Trend für offenes Wohnen wird nicht vollkommen verschwinden. Zu gern genießt der Mensch großzügige und offene Strukturen, die sich auch in der Gesellschaft niedergeschlagen haben. Dennoch muss der Wohnraum zukünftig wieder mehr Rückzugsmöglichkeiten bieten, um den Menschen zur Ruhe kommen zu lassen. Individualität schlägt sich nicht nur in Freiräumen, sondern auch der Privatsphäre nieder. Ein großes Stichwort für das „Cocooning„, also das gemütliche Einrichten der eigenen vier Wände, das derzeit besonders gern ausgerufen wird. Es hat seine Berechtigung in Zeiten, in denen wir sehr viel Zeit drinnen verbringen müssen.

Das „Broken Plan Living“ bietet sanfte Zonierungs-Möglichkeiten, die moderne Grundrisse ergänzen, statt sie zu verschließen. Auch in bestehende Wohnräume kann der neue Designansatz eingearbeitet werden. Es wird sich zeigen, ob das „Broken Plan Living“ als erweiterte Option für offenes Wohnen künftig auch in Europa akzeptiert und umgesetzt wird – oder ob eben doch der vollkommene Rückzug zu geschlossenen Räumlichkeiten wieder Trend wird.

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